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Großes Drama – großer Triumph Teil 2

von Sportduell Team am Donnerstag, 11. März 2021

Am nächsten Tag ging es weiter mit den Einzeln.

Nach einem weiteren Freilos in der ersten Runde bekam ich es im Viertel- und Halbfinale erneut mit zwei österreichische Gegner zu tun, was kein Wunder war, denn das Turnier war ja in Österreich und diese Nation ist traditionell sehr stark im Racketlon, vor allem im Jugendbereich. Gegen die beiden Alpenschlägertypen gewann ich allerdings recht klar und stand ungefährdet im Endspiel. „Finale! Finale! “, jubelte ich innerlich. Mein Ziel (Einzelmedaille) war somit schon erreicht, aber ich wollte mehr. Mein Gefühl sagte mir, dass dies noch nicht das Ende war.

Ich entschloss mich das zweite Halbfinale anzuschauen, um zu wissen wer mein nächster Gegner ist. Dort beobachtete ich ein unfassbares Match: Der Ungar Szalay demontierte den hoch gehandelten Alexander Wagner in 3 Sportarten und gewann vor Tennis. Das beeindruckte mich sichtlich. So stark hätte ich ihn nicht eingeschätzt, obwohl er auch schon beim Sieg gegen mich im Teamwettbewerb gut spielte. Er hatte die vorherigen Wochen sichtlich auch gut trainiert. Vor dem wichtigsten Spiel meiner Karriere musste ich deshalb erstmal an die frische Luft und durchatmen.

Um 15 Uhr wurde durch große Lautsprechern verkündet: „Final Boys under thirteen singles competition: Cornelius Ried Germany against Tamas Szalay Hungary on Centre Court“. Noch nie durfte ich auf dem größten Court spielen und dann noch ein Einzelfinale bei einer Europameisterschaft. Mein Gegner und ich waren sichtlich nervös – das größte Spiel unserer jungen Karriere stand unmittelbar bevor.

Am Centre Court standen relativ viele Menschen, um sich das Spiel anzusehen. Das sollte beim Tennis noch krasser werden – dazu später mehr! Beim Einspielen war ich total nervös, das war aber selbstverständlich. Es war schließlich ein Europameisterschaftsendspiel!

Einige Leute von der Presse waren ebenfalls am Court, genauso wie ein Fernsehteam, das unser Spiel live übertrug. Ein offizieller ausgebildeter Schiedsrichter zählte dasSpiel und eröffnete es! Ich spielte meine beste Sportart Tischtennis hervorragend und konnte mir mit 21-8 einen ordentlichen Vorsprung erarbeiten, den ich allerdings auch brauchte, denn die starken Sportarten des Ungarn sollten noch kommen – allen voran Badminton und Tennis. So kam es dann auch: Tamas gewann Badminton ungefährdet mit 21:11 und ich war froh, dass ich mehr als 10 Punkt machen konnte. Als nächstes war Squash an der Reihe!

Dort lag ich sensationell bis zum Schluss vorne, bevor das erste Drama begann. Beim Stande von 20 zu 16 hatte ich vier Satzbälle und musste nur noch einen Punkt machen, doch es war wie verhext. Der Ungar spielte fehlerlos und meine Nerven konnten dem Druck in der Verlängerung nicht mehr standhalten.

So verlor ich das sicher geglaubte Squashmatch noch und auch die Zuversicht, den Titel zu holen, denn jetzt stand es vor dem Tennis unentschieden und Tamas hatte mich im Teamwettbewerb in seiner besten Sportart klar besiegt. Ich war total fertig und schimpfte und heulte auch ein wenig, weil ich so enttäuscht war. Mit einem Sieg wäre ich 8 Punkte in Front gelegen und hätte gute Chancen im Tennis gehabt. Aber jetzt?! Mein Vater beruhigte mich „Es ist noch eine lange Reise“ sagte er zu mir. „Denk immer nur an den nächsten Punkt. Du bist gut im Tennis, außerdem wird dieses Mal in der Halle gespielt und nicht auf Sand!“.

Dadurch schöpfte ich tatsächlich neue Hoffnung, da mir dieser Belag mehr lag. Was mich auch „tröstete“ war das Kompliment des Squashschiedsrichter. Er kam zu mir nach dem Match und teilte mir mit, dass es eines der besten Squashmatches der U13 Jugend war, das er seit langem gesehen habe.

Nun musste also Tennis entscheiden, wer Europameister werden sollte. Wer Tennis gewinnt, gewinnt das Match. Also schickte ich mich an, als erstes die 21 Punkte zu erreichen.

Aber was war das? Auf einmal kamen Unmengen von Zuschauern an den Court und wollten das Match beobachten. Was war passiert? Es tummelte sich eine Vielzahl von Menschen, Fernsehteams, Presseleute, Security und und und… Später erfuhr ich, dass alle Spieler, Offizielle und Angehörige auf die Siegerehrung warteten. Weil mein Finale das letzte Match des Tages war, schauten alle bei diesem Match also zu.

Exweltmeister Christoph Krenn sagte später zu meinem Vater, dass er sich nicht erinnern könnte, so viele Zuschauer bei einem Juniorenendspiel gesehen zu haben. Die Halle war also randvoll. Das motivierte mich ungemein. Jetzt konnte es so richtig losgehen. Meine Taktik war, sichere und lange Bälle zu spielen, um den Gegner zu überhasteten Angriffen zu verleiten und diese Taktik schien aufzugehen.

Der Ungar machte überraschend viele einfache Fehler, da er die langen Ballwechsel mit riskanten Schlägen abkürzen wollte. Ich machte Punkt um Punkt und er verlor Punkt um Punkt. Das machte mich sicherer und ihn nervös. Meine Taktik schien aufzugehen und meine Nerven spielten mit. Ehrlich gesagt fühlte ich mich mittendrin sogar überragend, da ich wie eine Maschine die Bälle verteilte, die alle eine gute Länge hatten. Bei einigen Rallys ging der Ball 50 Mal übers Netz, das erfuhr ich später. War der Ungar dem Druck nicht gewachsen? War ich ihm gewachsen? Es schien so. Viele deutsche Spieler klatschten und jubelten nach jedem Punkt von mir und ich baute meine Führung stetig aus. 5:1 / 9:3 / 14:7 / 18:12 und auf einmal hatte ich Matchbälle. Ja, ich konnte Europameister werden. Es stand 20-13 für mich! Sieben Mal die Chance den Titel zu holen. Doch auf einmal schaltete mein Hirn meine Nerven ein. Der Ungar spielte nun defensiver und ich machte die Fehler. Mein Vater auf der Bank gab mir Zeichen, ruhig zu bleiben, obwohl er innerlich selbst wahrscheinlich unter Strom stand. Das Drama Nummer 2 begann…

Punkt für Punkt holte Tamas auf und ich konnte nichts machen. Ich spielte gut, aber er machte keinen Fehler mehr. Unter tosendem Applaus des ungarischen Blocks ging das Match weiter. Das Unglaubliche passierte. Er wehrte alle Matchbälle ab!!! Würde das gleiche wie beim Squash jetzt passieren? Das Match dauerte bereits jetzt ewig lange. Ich hatte kaum mehr Kraft - auch Tamas schien gezeichnet, hatte aber den besseren Lauf.

Normalerweise würde ein normaler Tennisspieler den Tennisschläger in die Ecke schmeißenund heim gehen nach so vielen verschenkten Chancen zum Europameistertitel. Doch nicht ich! Nicht Cornelius Ried!

Ich spielte nun wie ein Roboter jeden Ball ins Feld zwang den Ungarn zu Fehlern. Ich konzentrierte mich, so gut es ging und konnte dadurch zwei weitere Matchbälle herausholen. „Das musste es jetzt doch sein!“, sagte ich mir innerlich. Vergebens. Auch die nächsten zwei Matchbälle wehrte der Ungar unter frenetischem Jubel seiner Eltern und dem ungarischen Team ab! Obwohl so viele Menschen zuschauten war es jetzt totenstill. Alle wussten, dass dies wohl ein episches Match sein würde. Inzwischen waren drei Stunden gespielt. Allein der Tennissatz dauerte eine Stunde (!). Nicht auszudenken, wenn ich dieses Spiel verlieren würde. Ich kämpfte nur noch im Unterbewusstsein. Jeden Ball so gut wie möglich reinspielen und tatsächlich – eine direkte Vorhand von mir war so gut, dass der Gegner nicht mehr rankam. Matchball 9. Alles reinlegen jetzt. Alles geben! Ruhig, konzentriert, stabil! Immer nur an den nächsten Punkt denken! Ich zitterte, mein Körper fühlte sich hart und schwer an, aber ich musste noch einmal alles aus ihm rausholen. Ich atmete noch einmal durch. Dann Aufschlag…. Mein Aufschlag war gut, der Ungar returnierte ihn aber lang cross, meine Beine wollten mir nicht gehorchen, aber mein Wille riss sie in die andere Ecke. Ich erreichte den Ball und spielte eine beidhändige Rückhand in seine Vorhand…

Auch sein Körper hatte nicht mehr die nötige Spannung, deswegen versucht er zum ersten Mal im Match einen sicheren Vorhand Slice zu spielen. Er holte aus, schwang durch….und der Ball ging ins Netz.

Schreiend fiel ich auf den Boden und hielt die Hände vors Gesicht. Das gesamte Team Germany kam auf mich losgestürzt, um mir zu gratulieren. Mir war schwindlig. Ich hörte nur viele Menschen klatschen und den Moderator durch das Mikrofon sagen: „Make some noise for the new European Champion Cornelius Ried“. Das musste ich sein. Mein Vater war ebenfalls auf der Coaching Bank nach meinem Sieg zu Boden gegangen. Beide gingen wir zu den Gegnern zum „Handshake“.

Nach diesem Finale rastete einfach die komplette Halle aus! Für mich fühlte es sich an wie auf einem Rockkonzert! Bei der Siegehrung heulte ich vor Freude, es wurden Bilder gemacht und die Deutsche Nationalhymne ertönte.

Selbst wenn ich jetzt davon schreibe ich kriege ich immer noch Freudentränen und Gänsehaut. Es war EPISCH!!! ICH BIN EUROPMEISTER!!!

Erst nachher wurde mir wirklich bewusst, was ich da geleistet hatte… Mehr dazu im nächsten Teil!